(Mathematisch) fast 95 Thesen. Eine Abrechung mit der Corona-Gläubigkeit der evangelischen Kirche.

Diese Rede wurde auf der Demo der Offenen Gesellschaft Kurpfalz am 07. November 2021 erstmals vorgetragen.

Ich heiße Johanna. Ich bin 58 Jahre alt und seit vielen Jahren verheiratet. Mein Mann und ich haben gemeinsam zwei erwachsene Töchter, die in Heidelberg und Karlsruhe an naturwissenschaftlichen Fakultäten studieren. In den vergangenen 20 Monaten war das für sie und alle anderen Studentinnen und Studenten nur sehr eingeschränkt möglich.

Ich bin Tierärztin. Ich habe in Gießen studiert und in der pharmazeutischen Industrie promoviert. Ich habe zunächst knapp zwei Jahre mit Unterbrechungen als praktische Tierärztin gearbeitet. Nun arbeite ich seit vielen Jahren in der chemischen Industrie.

Beruflicher Hintergrund

Ich bin an der Herstellung der Covid-Impfstoffe indirekt beteiligt. Einen Nutzen will ich ihnen nicht ganz absprechen, wenngleich ich finde, dass die Risiko-Nutzenabwägung für Impfungen alle ärztliche Ethik vermissen lässt. Schon im März 2020 hatte ich Zweifel an der Gefährlichkeit dieses Virus und an den von Politik und Gesellschaft propagierten Maßnahmen. Nun sind anderthalb Jahre vergangen. In dieser Zeit habe ich viele Menschen neu kennen gelernt. Das meine ich genauso zweideutig, wie es klingt: Ich habe vermeintlich mir bekannt Menschen neu kennen gelernt und neue Menschen gefunden, mit denen ich mich jetzt verbinde.

Evangelische Gemeinde in Darmstadt

Auch viele Institutionen zeigen sich in neuem unvorteilhaftem Gewand. Ich war fünf Jahre Mitglied eines Kirchenvorstandes einer evangelischen Gemeinde in Darmstadt. Kaum war die Gefahr da, schlossen die Kirchen. Merkwürdig, sind sie doch an unserem Seelenheil interessiert und nicht vorrangig an unserer physischen Existenz. Die Rolle der Kirchen in den vergangenen Monaten erstaunt und enttäuscht mich.

Kürzlich ließ ich mich aus dem Verteiler einer Veranstaltungsreihe der evangelischen Kirche streichen und machte in einem Kommentar meine Erfahrungen, meinen Widerspruch und meine Opposition zu den Maßnahmen deutlich, indem ich auf „Meine Pandemieerzählung“ von 2. September auf der Demo der OGK in Speyer verwies, die auch im Magazin des Vereins 1bis19 veröffentlicht wurde.

Aus meiner E-Mail ergab sich überraschend ein Austausch mit einem Vertreter der evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Er stellte mir zwei Fragen, die mir typisch scheinen für die Erwartungen, die Corona-Konformisten mit einem Rest Verstand an all die Widerspenstigen haben. Seinem Wunsch nach Austausch entsprach ich gerne, zumal er ausgesprochen selten ist. Meine Antworten teile ich heute auch mit Euch.

Empathie und Toleranz nur in guten Zeiten?

Die erste Frage lautete:

Wie stellen Sie sich vor, dass wir gemeinsam bei allen Unterschieden mit guten Gründen die Zukunft gestalten können, was auch eine gewisse gegenseitige Empathie/Toleranz von uns beiden nötig macht?

Ich überlegte.

Was machte ihn so sicher, dass wir gemeinsame gute Gründe haben? Wer bewertet die Gründe als gut? Nach 20 Monaten ist die vermeintliche gemeinsame Basis erodiert. Ich stelle für mich und viele andere fest, dass es keine gemeinsame Basis gibt.

Empathie und Toleranz

Mein Gegenüber sieht die Notwendigkeit gegenseitiger Empathie und Toleranz. Ich verstehe: Er erwartet von mir Empathie und Toleranz. Denn er ist gewiss grundsätzlich empathisch und tolerant, nur in schwachen Momenten geht ihm das verloren. Nun, das trifft auch auf mich zu. Ich war nun 20 Monate tolerant und habe nach meinem Empfinden Empathie gezeigt. Und nun wird eine Minderheit in der Gesellschaft gefordert, tolerant zu sein und Empathie zu zeigen? Die Bockigen, die Sozialschädlinge, die Unvernünftigen, die Schwurbler, die, wenn ungeimpft, in der letzten Woche in der WELT auch noch „Wölfe“ genannt wurden: Viele Wölfe liefen derzeit durch Städte und Dörfer und würden sich der Corona-Schutzimpfung verweigern; aber „Die Freiheit der Wölfe“ sei „der Tod der Lämmer“.

Diejenigen, welche in vielen Kommentaren der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung, im Darmstädter Echo, im Spiegel, der ARD, dem ZDF als „pfui, bäh, rechts“ gerahmt und deren Gründe nicht gehört werden … Die sollen bitte tolerant sein?

Wissen und Erkenntnisse führen zur Ablehnung beim Gegenüber aufgrund von Ängsten, Zweifel und Unsicherheit

Meine Gefährten und ich waren sehr langmütig und tolerant mit den Menschen, die der Regierungspropaganda gutgläubig so lange folgen. Ich habe meinen Eltern, Verwandten, früheren Freunden und Arbeitskollegen Raum gelassen, sich in ihrer Angst auszuleben und sich mit den Fakten zu befassen. Ich habe gerne Informationen weiter verbreitet über Corona-Viren, darüber, was einen schweren grippalen Infekt ausmacht, was die WHO zu dieser Epidemie sagt und wie untauglich ein PCR-Test ist, um eine Infektion festzustellen. Dass die UNO fürchtet, dass von Lockdowns mehr Menschen Hungers sterben als vom Virus. Und so weiter.  Ich habe hingenommen, dass in der Stadt im Freien Masken zu tragen sind, dass ich nur nach Voranmeldung in ein Kaufhaus gehen konnte, dass man meiner Schwester einredete, sie müsse sich für ihren Besuch bei uns am Weihnachtsfest maskieren. Dass man Kinder aus der Schule aussperrte und meine Töchter von der Universität. Dass man mir einredet, mich schützen zu wollen, was ich mir aus gutem Grund verbitte. Ich fürchte nicht für mein kleines Leben. Mein Leben bis zum heutigen Tage ist ein volles, reiches, geglücktes Leben, dass Gott mir schenkt und mir jeden Tag bei meiner Meditation von neuem aufzeigt. Das schenkt mir tiefe Freude.

Ich habe wiederholt das Gespräch gesucht, musste aber feststellen, dass ich mit meinem Wissen und meiner Erkenntnis offenbar die Ängste, Zweifel und Unsicherheiten meines Gegenübers personifiziere. Mein Gegenüber müsste Zweifel an sich eingestehen, arbeiten, und Texte lesen, sich positionieren. All das ist anstrengend und gefährlich, weil die Gefahr der Ausgrenzung besteht. Denn wer sich von der Herde entfernt, lebt in Gefahr.

Das Ende des Langmutes

Mein Langmut endet. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land – und dazu zählen auch viele Vertreter der Kirchen, Männer wie Frauen – haben es geschafft, die Begriffe Toleranz, Solidarität, und Vernunft in ihrem eigenen Sinn zu besetzen und umzudeuten: Sie sind solidarisch, weil sie sich impfen lassen. Ich und viele andere sind nicht solidarisch, weil wir das nicht tun. Sie folgen der Wissenschaft, weil sie den Drosten-Podcast hören und Herrn Lesch lauschen. Ich verbreite Mythen, die sich aus Informationen der WHO-Webseite, den RKI-Wochenberichten, den DIVI-Daten oder der Dokumentation des Event 201 speisen. Sie sind tolerant, weil sie schweigen, wenn Demonstrationen verboten, deren Teilnehmer dadurch kriminalisiert und in Berlin zusammengeprügelt werden. Ich bin intolerant und herzlos, weil ich nichts dabei finden kann, dass das Leben endlich ist, dass mancher alte Mensch an einer Lungenentzündung stirbt und Intensivstationen schon immer ein Ort von Leid und Tod gewesen sind.

Die Kirchen stimmen Spaltung und Ausgrenzung zu

Die Kirchen stimmen Spaltung und Ausgrenzung zu, indem sie schweigen und nicht laut die Stimme erheben, wenn die 2G-Regel propagiert und die Tests kostenpflichtig gemacht werden. Ja, die Kirchen propagieren sogar 2G. Die Echse und Michael Hatzius haben mehr Zivilcourage und weniger Verlustangst als die Kirchen.

Die Kirchen und mit ihnen die Mehrheit der Gesellschaft haben es über 20 Monate nicht geschafft, sich mit diesen vielen wichtigen Fragen inhaltlich auseinanderzusetzen. Sie folgen Herrn Wieler und Herrn Spahn und ihrem treuen Augenaufschlag. Die Ignoranz, Feigheit und Faulheit, die selbst gewählte Unmündigkeit weiter Teile der Gesellschaft übersteigen mein Maß an Toleranz.

Politische Entscheidungen treffen, nicht überreagieren und Unrecht verlängern

Und seine zweite Frage war:

Stellen Sie sich einmal vor – und das ist ja aus Ihrer beruflichen Rolle gar nicht so abwegig – Sie wären März 2020 mit den vielen Toten in Bergamo und sehr vielen Ungewissheiten Gesundheitsministerin gewesen, wie hätten Sie sich aus der Ethik Ihrer beruflichen Rolle entschieden?

Im März 2020 habe ich sehr früh den Bildern aus Bergamo misstraut. Wie sich bald herausstellte, war mein Misstrauen berechtigt. Aber gut. Ich weiß und verstehe, dass man, wenn man mit weniger Wissen ausgestattet ist, wenn man seine Sinneswahrnehmung nicht schult, wenn man keine Zuversicht hat, sondern Angst, und wenn man dann auch Verantwortung trägt für ein Land, dass man also zunächst überreagiert. Also habe ich gewartet. Es kam der Sommer 2020, es kam der Herbst 2020. Es war längst klar, dass dies für manchen Älteren und besonders für Hochbetagte eine gefährliche Krankheit sein kann, während die anderen Altersgruppen zwar ebenfalls erkranken können, aber es doch bei weitem nicht die Katastrophe ist, die am Anfang an die Wand gemalt wurde. Und dann sah ich ungläubig und erschüttert, wie alles, was man tat, nicht zielführend war. Man konnte damit genau diese Gruppe der Alten und Hochbetagten nicht schützen und man hörte nicht auf Experten wie Herrn Stöhr, Herrn M. Schrappe und viele andere, die wirklich bedenkenswerte Anregungen dazu hatten. Warum setzt man alles auf Lockdown und Impfung? Warum las ich keine Artikel, wie man mit dieser Krankheit als Patient umgeht? Noch heute denken Menschen, sie werden sicher sterben, wenn sie die Diagnose Covid-19 erhalten. Warum wurde nicht zeitnah eine vernünftige Leitlinie für die Behandlung von hospitalisierten COVID-Patienten erarbeitet? Warum wurden die Reiserückkehrer getestet, nicht aber die Menschen, die in Altersheimen und Pflegeheimen arbeiten oder diese besuchen? Ich hätte vieles anders gemacht. Und ganz sicher hätte ich mich nicht zum Büttel der pharmazeutischen Industrie und der Hochfinanz gemacht.

Regime der Hygiene, Kontrolle und Infantilisierung

Das alles ist schwer zu ertragen. Es geht nicht um Gesundheit. Es geht um ein Regime der Hygiene, Kontrolle und Infantilisierung. 2010 sah Juli Zeh das aufscheinen und beschrieb es in ihrem Roman „Corpus Delicti“.

Meine Mitstreiter und ich, wir vernetzen uns. Wir treffen uns, ermutigen und bestärken uns, finden Gemeinschaft, singen und tanzen gemeinsame mit offenen, fröhlichen Gesichtern. Geimpfte und Ungeimpfte. Ohne entmündigende Regeln und Kontrollen.

Der Kirchenmann fürchtet, dass wir in der Zukunft Probleme haben werden, wenn wir nicht gnädig miteinander umgehen. Das stimmt nicht. Wir haben jetzt ein Problem. Er würde gerne mit mir, mit uns „die durchaus anstrengende und risikoreiche Zukunft gestalten“. Er liegt auch hier falsch in seiner Wahrnehmung: Nicht die Zukunft ist anstrengend und risikoreich und muss gestaltet werden, sondern die Gegenwart.

Was ich sehe: Endlos viele Schafe. Wenig streitbare Böcke. Man gab mir den Namen Johanna. Das heißt „Gott ist gnädig“. Aber ohne Reue und Einsicht ist Gnade wertlos, eine klebrige Soße, mit der man vergangenes Unrecht zukleistert. Und was derzeit mit Ungeimpften geschieht, das ist Unrecht.

Johanna
Darmstadt

 

Bilquelle des Titelbildes.

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