Das Demokratieprinzip

Die Demokratie ist eine Staatsform, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Weitere Kennzeichen einer Demokratie sind u.a. die Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip und die Achtung der Grundrechte, die von Persönlichkeitsrechten und Freiheitsrechten bis hin zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten reichen. Die Menschen- und Grundrechte sind die Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Deshalb darf eine Regierung, die von der Mehrheit nach demokratischen Grundsätzen bestimmt worden ist, diese Rechte (beispielsweise Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit) nicht abschaffen.

Kulturelle Teilhabe trägt zum sozialen Zusammenhalt bei

Gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Da er deshalb u.a. die kulturellen Menschenrechte zu achten hat, ist es schlüssig, dass auf der Internetseite der Bundesregierung Folgendes zu lesen ist: „Kulturelle Teilhabe trägt zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland bei und ist ein wichtiger Motor der Integration in unserer Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ermöglicht einen Zugang zur Geschichte, zu den Traditionen und kulturellen Werten in Deutschland, Europa und der Welt. Daher ist eines der wichtigsten kulturpolitischen Anliegen des Bundes, alle Menschen für kulturelle Angebote zu begeistern – Menschen jeden Alters, in ländlichen Räumen oder in Metropolen, mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, mit oder ohne Einschränkungen.“

Wenn nun aber Menschen, nur weil sie nicht gegen das Corona-Virus geimpft sind, der Zugang zu Kultur, beispielsweise zu Theatern und Museen verwehrt wird und diese Menschen nicht einmal Gelegenheit erhalten nachzuweisen, dass sie gesund sind, was passiert dann mit dem sozialen Zusammenhalt in Deutschland? Werden aus Freunden Feinde und aus Eintracht Zwietracht? Führt nicht genau das zu einer Spaltung der Gesellschaft?

Spaltung der Gesellschaft getrieben durch Angst

Getrieben wird die Spaltung der Gesellschaft, die sich in erster Linie zwischen Geimpften und Ungeimpften vollzieht, von Angst. Die einen haben Angst, dass die Pandemie nicht endet und sie schier ewig mit Maßnahmen leben müssen, weil sich eine Minderheit nicht impfen lässt. Sie fürchten sich natürlich auch vor den Folgen einer Ansteckung und einer Überlastung der Intensivstationen.

Die Ängste sind ernst zu nehmen. Im Jahr 2020 war bei insgesamt 36.291 Todesbescheinigungen laut vorläufigen Daten der Todesursachenstatistik COVID-19 als Erkrankung vermerkt. Am Freitag war in der Zeitung zu lesen, dass seit Beginn des Infektionsgeschehens 100.000 Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben seien. Allein im Stadt- und Landkreis Karlsruhe starben, Stand 26.11.2021, insgesamt 779 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion, zum selben Zeitpunkt waren 5573 Personen mit dem SARS-CoV-2 infiziert und ausweislich des DIVI Intensivregisters mussten 8 Personen im Landkreis Karlsruhe intensiv beatmet und 5 weitere Personen intensivmedizinisch behandelt werden. Außerdem ist die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle zuletzt in Deutschland stark angestiegen, von 851 Patienten am 19.10.2021 auf 4.202 Patienten am 25.11.2021, womit sich die Zahl fast verfünffacht hat.

Die Anderen haben Angst vor der Impfung, vor der Neuartigkeit der Corona-Vakzine, sie fürchten sich vor Langzeitfolgen und haben Bedenken an der Wirksamkeit der Impfstoffe. Auch diese Ängste sind ernst zu nehmen.

Angst vor Nebenwirkungen der Covid-Impfung

Erst Wochen nach Beginn der Impfkampagne, nämlich seit dem 01.04.21 empfohl die STIKO, die Impfung mit dem Impfstoff der Firma AstraZeneca nur noch für Personen, die 60 Jahre und älter sind, zu verwenden. Der Grund für diese Altersbeschränkung liegt in dem Auftreten von Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenien, die nach der Impfung bei Geimpften aufgetreten sind. Diese schweren, teilweise tödlich verlaufenden Nebenwirkungen wurden überwiegend bei Frauen im Alter ab 55 Jahren beobachtet.

Auf Grundlage von Sicherheitsdaten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und weiterer internationaler Daten aktualisiere die STIKO ihre COVID-19-Impfempfehlung Anfang November 2021 und empfiehlt, Personen unter 30 Jahren und Schwangeren ausschließlich mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer zu impfen. Aktuelle Meldeanalysen hatten gezeigt, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Personen unter 30 nach der Impfung mit dem Impfstoff von Moderna häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer.

The Lancet veröffentlichte am 13.11.2021 eine Studie, wonach Forschende von verschiedenen Universitäten Schottlands die Datenlage in Schottland untersucht und zu dem Ergebnis gelangt waren, dass dort insgesamt 236 voll immunisierte Menschen an COVID-19 gestorben waren. Davon hatten 47 Personen den Impfstoff von BioNTech/Pfizer erhalten, 188 Personen die AstraZeneca-Vakzine.

In Deutschland werden nach den Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts bisher 156.360 Nebenwirkungen bei 101,9 Millionen Impfungen bis August 2021 und 1.450 Todesfälle, die als Verdachtsfälle in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung geführt werden, registriert.

Wirksamkeit der Impfstoffe bleibt hinter dem Versprochenen zurück

Und obwohl die Zahl der gegen Corona-geimpften Deutschen steigt, sinkt die Zahl der Corona-Infizierten und -Verstorbenen nicht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab an, dass im September 2021  1510 Menschen in Deutschland nach einer Corona-Infektion starben, im Vergleich dazu waren es 2020 im September 205 Menschen. In der 40. Kalenderwoche (4. bis 10. Oktober 2021) wurden 358 Todesfälle in Folge einer Covid-Erkrankung gemeldet, in der Kalenderwoche 40 des vergangenen Jahres (28. September bis 4. Oktober 2020) waren es 82 Corona-Tote.

Außerdem hatte in einer Regierungserklärung im Bundestag zur Corona-Lage und zum Impfbeginn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn davon gesprochen, dass die Impfung Licht ans Ende des Tunnels bringt. Jens Spahn und der baden-württembergische Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha hatten im Doppelinterview mit der Stuttgarter Zeitung am 09.02.2021 angegeben, dass alle zugelassenen Impfstoffe sicher und wirksam seien.

Am 15.11.2021, gerade einmal 9 Monat später, berichtete die Berliner Zeitung, dass Wissenschaftler aus Schweden Daten der Corona-Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca miteinander verglichen und daraus Rückschlüsse auf die Wirkdauer der Vakzine gezogen hätten. Danach schütze der Impfstoff von Biontech/Pfizer bis zum 30. Tag nach der Spritze zu 92 Prozent. Nach einem halben Jahr habe die Wirksamkeit allerdings nur noch 47 Prozent betragen und nach sieben Monaten habe mit 23 Prozent keine gute Wirksamkeit mehr nachgewiesen werden können. Der Impfstoff von Moderna habe deutlich bessere Werte hinsichtlich der Wirksamkeit aufgewiesen. Nach sechs Monaten sei der Impfstoff den Forschern zufolge noch zu knapp 60 Prozent wirksam gewesen. Daten über den sechsten Monat hinaus liegen nicht vor. Bei dem Vakzin des Herstellers AstraZeneca habe bei geimpften Personen bereits nach vier Monaten kein wirksamer Schutz mehr nachgewiesen werden können. Im Gegenteil: Die Forscher hätten sogar ein erhöhtes Risiko für Geimpfte festgestellt.

Sprache wird immer platter und schriller, Politik fördert Polarisierung

Die berechtigten Ängste der Impfbefürworter und derjenigen, die sich nicht impfen lassen möchten, verhindert einen Diskurs mit rationalen Argumenten. Zwischentöne scheinen kaum mehr möglich. Von Impfleugnern, Covidioten, Verschwörungstheoretikern ist die Rede – die Sprache wird platter und schriller. Andersdenkende werden abgewertet.

Leider trägt die Politik wenig dazu bei, den Konflikt zu entschärfen. Im Gegenteil befördert sie die Polarisierung mit Sprüchen wie dem von der „Pandemie der Ungeimpften“. Aber stimmt die knackige Aussage in ihrer Verkürzung? Die Corona-Impfung schützt nicht davor, sich selbst zu infizieren. Auch Geimpfte können sich infizieren und andere anstecken.

Nach den Meldedaten des Robert-Koch-Instituts gab es in Deutschland seit Beginn der Impfkampagne mehr als 175.000 Impfdurchbrüche. Ntv berichtet am 14.11.2021, dass in Bayern nach Daten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittel (LGL) in der Zeit vom 4. bis 31. Oktober 108 der insgesamt gezählten 372 Todesopfer beide Impfungen erhalten hatten, in der ersten Novemberwoche waren 23 der 88 Corona-Toten vollständig geimpft.

Fehlende Toleranz für gesellschaftlich-politischen Pluralismus als Gefahr für Demokratie

Eine Politik, die den Impfdruck durch immer gravierendere Einschränkungen in die Grundrechte von Ungeimpften erhöht, die gesellschaftlich-politischen Pluralismus zu der Gesundheitsfrage einer Covid- Impfung nicht toleriert, nährt die Furcht derjenigen, die die Demokratie gefährdet sehen. Für den DDR-Sozialismus führte der Historiker Konrad Jarausch 1998 den Begriff der „Fürsorgediktatur“ ein, um damit den spezifischen Charakter des SED-Regimes im Vergleich zu anderen Diktaturen herausarbeiten. Einerseits greift der Terminus der Fürsorge die ideologischen Intentionen des Sozialismus auf, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen zugunsten von hilfsbedürftigen Schichten wie Arbeitern und Bauern. Andererseits wird durch die Verwendung des Wortes „Diktatur“, der Zwangscharakter der sozialistischen Ideologie der Schaffung dieser Gesellschaft sowie ihrer Umsetzung gekennzeichnet. Und erst kürzlich äußerte der Chef des Zürcher Amts für Gesundheit, Peter Indra, dass im Grunde genommen eine gutmütige Diktatur eine gute Art und Weise sei, um die Pandemie zu bewältigen.

Eine Diktatur, auch eine gutmütige, war noch nie geeignet, die eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bürger herbeizuführen. Keine Diktatur hatte letztlich dauerhaft Bestand, in keinem diktatorischen System ging es der Bevölkerung letztlich besser.

Unsere demokratisch gewählten Volksvertreter wären gut beraten, wenn sie Vertrauen schaffen würden. Transparenz, d.h. die Nachvollziehbarkeit von Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen für Bürger ist dafür eine wichtige Voraussetzung, aber auch ein Qualitätsmerkmal einer Bürgergesellschaft an sich.

Offene Fragen zu logischen Inkonsistenz aktueller politischer Entscheidungen

Dazu gehört, dass die Politiker zu folgenden sich aufdrängenden Fragen Stellung nehmen:

Zu beantworten wird sein, warum die Inzidenzen nach Impfstatus nicht mehr (zuverlässig) berichtet werden. Die offizielle Begründung, dass sich durch die Änderungen beim Fall- und Kontaktpersonenmanagement in den Gesundheitsämtern die Ermittlungen auf den Schutz vulnerabler Gruppen, beispielweise in Alten- und Pflegeheimen konzentrierten und weiterführende Ermittlungen zu Einfallangaben somit nicht mehr routinemäßig durchgeführt würden, überzeugt nicht.

Anlässlich einer öffentlichen Anhörung im Bundestag am 15.11.2021 antwortete der Sachverständige Prof. Dr. Gernot Marx, der der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. angehört, dass er die ihm gestellte Frage, wie viele der auf den Intensivstationen mit Covid- 19 aufgenommenen und später verstorbenen Patienten geimpft bzw. ungeimpft gewesen seien, nicht beantworten könne, weil dies bisher noch nicht erfasst worden sei. Die Beantwortung der Frage wäre von enormer Wichtigkeit, um die Richtigkeit der Aussage der Politik beurteilen zu können, ob die Coronaimpfung tatsächlich vor einem schweren Verlauf der Erkrankung schützt.

Zu beantworten wird sein, warum in Anbetracht der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems in den Hochburgen des Karnevals noch am 11.11.2021 Geimpfte weiter in Räumen und ohne Abstand sowie Maske feiern durften und Bars und Clubs weiterhin geöffnet bleiben? Sogar die tagesschau berichtete am 15.11.2021, dass Bars und Clubs die Corona-Hotspots seien.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte mit Beschluss vom 05.02.2021 die Vorschrift in der Corona-Verordnung der Landesregierung, die nächtliche Ausgangbeschränkungen von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr regelte, mit Wirkung ab dem 11.02.2021, 5.00 Uhr außer Vollzug gesetzt. In den Gründen der Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass Ausgangsbeschränkungen nur möglich seien, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre. Zu beantworten wird sein, ob derzeit Anlass zur Annahme besteht, dass das Infektionsgeschehen signifikant beeinflusst werden kann, wenn Ungeimpfte zwischen 21 Uhr und 5 Uhr morgens ihr Haus nicht verlassen dürfen, während dies zu anderen Tageszeiten erlaubt bleibt?

2G-Konzepte basieren auf Annahmen die von Anfang an als falsch bekannt waren

Zu beantworten wird sein, warum von einer Sinnhaftigkeit der 2G- Konzepte ausgegangen wird? Die Berliner Zeitung veröffentlichte am 11.11.2021 einen Bericht, in dem Christian Drosten, der die Virologie der Berliner Charité leitete, äußerte, er habe Zweifel, ob das 2G- Modell noch im November die Inzidenz senkt.  Auch der Virologe Kekulé, der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Uniklinikum Halle, hatte in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 16.11.2021 davon gesprochen, dass das zentrale Argument für so ein 2G Konzept gewesen sei, dass Geimpfte keinen relevanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten würden und diese Annahme von Anfang an falsch gewesen sei.

Zu beantworten wird sein, warum die nachlassende Wirkung der Impfstoffe mit der Delta-Variante des Virus begründet und deshalb eine Auffrischungsimpfung dringend angeraten wird, obwohl die Zusammensetzung der Impfstoffe für die Booster- Impfung nicht geändert wurde.

Zu beantworten wird sein, warum, anders als bei den „Corona- Toten“, die nach einem positiven PCR-Test in zeitlicher Nähe zum Todeseintritt automatisch als Covid-19-Todesfälle in die Statistik eingehen (unabhängig davon, woran sie ursächlich gestorben sind), sehr penibel auf erforderliche Obduktionsergebnisse verwiesen wird, bevor eine „in Zusammenhang mit“ der Impfung verstorbene Person auch als „Impftote“ gewertet wird.

Eine funktionierende Demokratie setzt voraus, dass mündige Staatsbürger politischen Anweisungen, die bis ins Mark der Grundrechte schneiden, nicht mit blindem Gehorsam begegnen. Es versteht sich von selbst, dass ein demokratischer Staat, dessen Institutionen und Handlungsträger der Öffentlichkeit verpflichtet sind, eine Antwort auf die sich stellenden Fragen geben müssen. Wenn dies nicht geschieht und deshalb Kritik geäußert wird, hat das nichts mit Egoismus oder einem schrägen Freiheitsverständnis zu tun.

Karin

Vorsitzende Richterin aus Heidelberg

schreibt hier als Privatperson und Mitglied des Netzwerkes Kritische Richter und Staatsanwälte (KRiSta)

 

 

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