Pressefreiheit als Basis einer demokratischen Gesellschaft

Die Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen die Bedeutung der Pressefreiheit unterstrichen. Danach ist eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ein Wesenselement des freiheitlichen Staates.

Sorgfaltspflicht

Eine zentrale Anforderung an die Presse ist die Einhaltung der publizistischen oder journalistischen Sorgfaltspflicht bei der Berichterstattung. Es handelt sich um einen allgemeinen medienrechtlichen Grundsatz, der für verkörperte Presseerzeugnisse in den Pressegesetzen der Länder so auch in § 6 Landespressegesetz Baden- Württemberg verankert ist. Als Auslegungshilfe zur Bestimmung der rechtlichen Sorgfaltsanforderungen werden teilweise die Standesregeln der Presse im Pressekodex des Deutschen Presserates herangezogen. Der Pressekodex ist eine Sammlung journalistisch-ethischer Grundregeln, die der Deutsche Presserat 1973 vorgelegt hat. Der Pressekodex hat den Charakter einer freiwilligen Selbstverpflichtung. Konkretisiert wird er durch die „Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserates“. Danach ist die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Außerdem wird bestimmt, dass die Recherche unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt ist. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte MeldungenGerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Wegen des besonderen Vertrauens der Öffentlichkeit in die Presseberichterstattung ist regelmäßig ein strenger Maßstab an die journalistische Sorgfaltspflicht anzulegen, der allerdings die Grenze des Zumutbaren nicht überschreiten darf.

Diffarmierung vieler Kritiker durch die Presse ohne diese vorher anzuhören

Viele Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen haben seit Beginn des Infektionsgeschehens erlebt, dass sie in der Presse als „Querdenker“, „Coronaleugner“, „Rechte“ und als „unsolidarisch“ bezeichnet wurden, unabhängig davon, was sie gesagt oder wie sie sich verhalten hatten. Oft erfolgte das Branding, ohne die Kritiker zuvor angehört zu haben.

Deshalb sei der Hinweis erlaubt, dass Querdenken eine Denkmethode ist, die im Rahmen der Anwendung von Kreativitätstechniken zur Lösung von Problemen oder Ideenfindung eingesetzt werden kann. Die Bezeichnung wurde 1967 von Edward de Bono eingeführt und seitdem in zahlreichen Veröffentlichungen verwendet. Querdenken bedeutet, alte Denkpfade zu verlassen, Denkblockaden aufzulösen und neue Ideen zu entwickeln.

Wenn man jedoch bei Wiktionary nachliest, wird als Querdenker eine Person bezeichnet, die Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung der Coronapandemie ablehnt und die sich dabei überwiegend auf Informationen beruft, die von Experten als falsch oder zu stark vereinfachend eingestuft werden. Andere definieren als Querdenker eine Person, die für sachliche Argumente nicht offen ist.

Kritiker sind meist gut informiert

Deshalb ist es falsch, die Kritiker der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens generell als Querdenker zu bezeichnen. Mit ist niemand bekannt, der die Existenz des Sars-CoV-2 leugnet oder der sich weigert, die veröffentlichen Zahlen des Robert-Koch-Instituts zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil, die Kritiker sind meist gut informiert und wissen, dass an und im Zusammenhang mit Corona in Deutschland zwischenzeitlich rund 113.000 Menschen gestorben sind, über 400 alleine in Mannheim. Sie wissen, dass die Zahl der bestätigten Corona- Fälle in Mannheim bei rund 31.000 liegt und dass rund 28.000 Personen als genesen gelten, auch wenn sie teilweise noch an den Folgen der Infektion leiden.

Da zum Schutz des Lebens und der Gesundheit eine Vielzahl von Grundrechten massiv eingeschränkt wurde, ist es jedoch nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, jede dieser Maßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob der Grundrechtseigriff geeignet ist, das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, ob ein milderes Mittel zur Zweckerreichung in Frage kommt und wie die Vorteile der Maßnahmen im Zusammenhang mit deren Nachteilen stehen.

Ausnahmezustand darf nicht zur Gewohnheit werden

Außerdem lässt unser Grundgesetz es nicht zu, dass der Ausnahmezustand zur Gewohnheit wird. Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland leben – Dank sei vor allem dem Bundesverfassungsgericht – in einer gewachsenen Tradition des Rechtsstaats, in dem Grundrechte den Pulsschlag bestimmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlung und auf Wahrung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ist den aufgeklärten Menschen in Deutschland zur zweiten Natur geworden.

Deshalb nimmt es nicht wunder, dass nach nunmehr fast zwei Jahren andauernder Einschränkungen ihrer Grundrechte immer mehr Menschen von ihrem Recht Gebrauch machen, die Vorgehensweise der Regierung auf deren Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Und einer Demokratie steht es gut an, die Ergebnisse einer vorgenommenen Prüfung nicht zu ignorieren, und schon gar nicht mit dem von der Presse gerne aufgegriffenen, aber irrigen Hinweis, dass es sich bei jedem Kritiker um einen Coronaleugner, Aluhut, Verschwörungstheoretiker, AfDler, Reichsbürger oder Rechten handele.

Denn die Politiker und Presseorgane wissen genau, dass der Begriff „rechts“ ein Tabu ist. Er bedeutet im Konkreten eine Neigung zu rechtsradikaler Ausrichtung, zu Demokratiefeindlichkeit und Rassismus, jedenfalls ist er historisch belastet und wird so eingeordnet.

Auch die 80 Abgeordneten der FDP- Bundestagsfraktion, die die Ausgangssperren für verfassungswidrig hielten, sind natürlich nicht rechts, nicht demokratiefeindlich und nicht rassistisch. Dasselbe gilt für Sarah Wagenknecht, Wolfgang Kubicki und Heribert Prantl, der Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung war, und die lange Liste anderer Personen, zu denen viele Ärzte und Juristen zählen, und die sich ebenfalls kritisch mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens auseinandersetzen.

Herabwürdigung der Kritiker um sie von politischer Teilhabe abzuhalten

Die Herabwürdigung der Kritiker in der Presse zielt ganz offensichtlich darauf ab, alle jene Menschen, die die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens nicht oder in Teilen für unverhältnismäßig halten, im Vorfeld von ihrem Vorhaben abzubringen, an Demonstrationen, Unterschriftsaktionen usw. teilzunehmen. Wer möchte schließlich mit Leuten in einen Topf geworfen werden, die von der Presse als demokratiefeindlich und rassistisch gebrandmarkt werden? Dabei sollte doch gerade der Presse bewusst sein, von welch existentieller Bedeutung das Recht auf freie Meinungsäußerung für eine funktionierende Demokratie ist. Und frei kann sich nur der äußern, der nicht befürchten muss, im Wege eines Automatismus mit Menschen in Zusammenhang gebracht zu werden, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung ablehnend und feindlich gegenüberstehen.

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Presse den Kritikern der Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens, insbesondere denjenigen, die sich nicht gegen das Corona-Virus impfen lassen wollen, die Schuld daran zuweisen will, dass Menschen erkranken und sterben, dass es erneut zu Schulschließungen kommen muss und damit einhergehend zu einem Bildungsverlust und der Belastung von Kindern.

Schuldzuweisungen sind Alarmsignal. Höchsstrafe für soziale Wesen

Wenn bei Problemen über die Schuldfrage gestritten wird, ist dies immer ein Alarmsignal. Denn Schulddiskussionen wirken zerstörerisch auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die meisten Menschen haben in früheren Lebensjahren die Erfahrung gemacht, wie qualvoll es ist, an etwas „schuld“ zu sein, als Übeltäter dazustehen, nicht mehr geliebt zu werden und „aus der Gemeinschaft ausgestoßen“ zu sein. Gerade diese „Sozialstrafen“ sind nicht bloß unangenehm, sondern lösen existenzielle Ängste aus. Denn für soziale Wesen, wie es Menschen nun einmal sind, gibt es kaum etwas Bedrohlicheres als den Verstoß aus der Gemeinschaft. Diese „Höchststrafe“ wollen sie um fast jeden Preis vermeiden – oft selbst um den Preis, sich selbst zu schädigen und ihre Mitmenschen im Stich zu lassen. Vielleicht ist das der Grund, warum kein Aufschrei durch die Presse ging, als bekannt wurde, dass 2 der im St. Josefkrankenhaus in Heidelberg beschäftigten Mitarbeiter:innen ein Hausverbot erteilt wurde, nur weil sie ungeimpft sind. Haben die Menschen vergessen, dass dieselben Personen zuvor wertvolle Arbeit geleistet haben? Und dient das ausgesprochene Hausverbot, der mit dem Verlust der Lohnzahlung einhergeht, gesichert dem Schutz der Patienten vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus?  Wohl nicht, denn wie wäre es sonst zu erklären, dass es Ende 2021 auf dem Kreuzfahrtschiff AIDAnova, an deren Bord nur Passagiere und Besatzungsmitglieder gehen durften, die einen Nachweis über ihre Impfung und ein aktuelles Testergebnis vorlegen konnten, zu einem Corona-Ausbruch kam, bei dem mehr als 60 Infektionen nachgewiesen wurden.

Fast noch schlimmer ist aber, dass die Angst vor Vorwürfen eine Verlagerung der Aufmerksamkeit bewirkt: Die Menschen orientieren sich in ihrem Handeln nicht mehr daran, was von der Sache her sinnvoll ist, sondern daran, was sie tun oder unterlassen müssen, um hinterher keine Schwierigkeiten zu bekommen. Deshalb unterlassen es diese Menschen, sich gegen die sie Beschuldigenden zu stellen.

Die Schuldzuweisung ist einfach, denn sie weist die Verantwortung dem Andersdenkenden zu und sie ist gesellschaftlich akzeptiert.  Lösungsorientiert ist dieser Zugang nicht. Im Gegenteil – in der Regel werden damit die Probleme nur verschärft.

Moralisierung der Einhaltung aller Regel soll Kritik und Suche nach Alternativen unterbinden

Schließlich möchte ich darauf eingehen, dass die Presseorgane immer wieder darauf hinweisen, dass die Befolgung aller staatlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens ein Akt der Solidarität sei. Damit wird die staatliche Inanspruchnahme der Zivilgesellschaft nicht als Forderung von Staatsbürgergehorsam, sondern als Ausweis von gegenseitiger Hilfe und dem Eintreten füreinander dargestellt. Die Forderung nach Einhaltung aller Regelungen wird moralisiert. Die Frage sei erlaubt, ob die moralische Codierung dazu dienen soll, das Gespräch zu beenden und Kritik ebenso zu unterbinden wie die Suche nach alternativen Lösungsvorschlägen.

Wer nach Berichten der Presse seinen Mitbürger*innen etwas Gutes tun möchte, verlässt das Haus nicht, trifft keine Freunde oder Bekannten und hält Abstand zu Dritten. Aber soziale Isolation kann krankmachen. Menschen sind auf die Gemeinschaft anderer Menschen angewiesen. Der persönliche Kontakt, Mimik, Gestik und Berührung sind oft entscheidend für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Isolations- und Quarantänemaßnahmen, vorallem wenn sie lange andauern und mit Einkommensverlusten und Existenzängsten einhergehen, wirken sich insbesondere negativ auf die psychische Gesundheit aus. Bei gesunden wie auch psychisch bereits vorerkrankten Menschen können sie zu Depressivität, Ängstlichkeit, Schlafstörungen, Stress und Wut führen. Langfristig kann soziale Isolation das Gefühl von Einsamkeit und gesellschaftlicher Stigmatisierung verstärken.

Handelte es sich, als im März 2020 abends immer wieder Applaus durch die Straßen Europas hallte, als Dank an die bei den in der Corona-Krise plötzlich als infrastrukturnotwendig und „systemrelevant“ erkannte Berufsgruppen, d.h. dem Pflegepersonal in den Gesundheitseinrichtungen und den Supermarktverkäufer*innen, wirklich um eine Solidaritätsaktion, wie das Nachrichtenmagazin der SPIEGEL am 21.03.2020 berichtete? Hätten die Menschen nicht vielmehr dafür eintreten müssen, die Löhne von Pfleger:innen und Supermarktverkäufer:innen auf Dauer zu erhöhen und deren Arbeitsbedingungen wesentlich zu verbessern?

Wenn Solidarität als moralische Pflicht ausgewiesen wird, verliert sie eine wichtige Eigenschaft, nämlich die der Freiwilligkeit. Solidarität kann man sich daher wünschen, aber eben nicht einklagen und niemandem aufzwingen. Was erzwungen ist, hat keinen moralischen Wert.

Das Heilsversprechen der Impfung

Und schließlich darf hinterfragt werden, ob die Impfung – wie vielfach von der Presse zitiert – der einzige Weg aus der Pandemie ist und jeder, der sich nicht impfen lassen will, unsolidarisch ist, weil er verhindert, dass die Pandemie endet.

Wie lässt es sich erklären, dass ausweislich der Mitteilungen des statistischen Bundesamts im Jahr 2020, als noch niemand gegen das Corona Virus geimpft war, 36.291 Menschen an und im Zusammenhang mit dem Virus gestorben sind, während es im Jahr 2021 rund 76.000 Menschen waren, obwohl zwischenzeitlich 71,6 % der Gesamtbevölkerung geimpft ist? Auch ausgehend davon, dass die bislang aufgetretenen Virus- Varianten ansteckender sind, als der ursprüngliche Corona- Virus, war die Berichterstattung nicht davon geprägt, dass die Virus- Varianten tödlicher seien. Selbst im Bundesland Bremen, das eine Impfquote von aktuell 83,6 Prozent ausweisen kann, betrug die Inzidenz an diesem Donnerstag 714 und die Hospitalisierungsrate 14,56 im gesamten Stadtstaat. Selbst das ZDF berichtete am 06.01.2022 unter der Überschrift, ob die Impfpflicht ein Weg aus der Pandemie sei, dass die Impfung aktuell nur wenige Monate effektiv wirke, die Impfung gegen neue Varianten schlechter schützen könne, sich auch Geimpfte anstecken könnten, Infizierte schon vor Symptombeginn ansteckend seien und zitierte Herrn Prof. Christian Bogdan damit, dass mit der Ausrottung des Corona-Virus zu rechnen sei.

Hanns Joachim Friedrichs, der mehr als 700 Mal die Tagesthemen moderierte, sagte einmal:  „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“.

Hieran mögen die Presseorgane erinnert sein, wenn sie über die Menschen berichten, die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens kritisieren.

Karin

Vorsitzende Richterin aus Heidelberg

schreibt hier als Privatperson und Mitglied des Netzwerkes Kritische Richter und Staatsanwälte (KRiSta)

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