Grünes Bundesverfassungsgerichts-Gaga

[thomasseibert] ist Professor für Rechtstheorie an einer Universität und war lange Zeit Vorsitzender Richter an einem Landgericht. Dies ist die deutlich andere Textfassung zum Vortrag auf der Demo vom 07.05.2022 in Stuttgart.

Gaga führt zu Unfug, ist nutzlos, wird aber von Fall zu Fall gefährlich. Grünes Gaga ist Greenwashing, mit dem man so tun kann, als würde man ökologische Ziele verfolgen. Manche glauben das wirklich, und es scheint so, als ob deren Zahl steigt. Umso wichtiger wird es, die Wegmarken einer für Freiheit ebenso wie für Klimaschutz gefährlichen Entwicklung näher anzusehen.

Eine der neuesten Entscheidungen des BVerfG ist teilweise euphorisch gefeiert worden, nämlich der Klimabeschluss v. 24.3.2021. Sieht man ihn näher und ohne Gefühlsüberschwang auf seine juristische Substanz hin an (unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/03/rs20210324_1bvr265618.html), erweist sich dieser Beschluss als zeitgenössisches 3G-Zertifikat: Gerichtsgaga, grün ausgefertigt.

Es handelt sich um ein Gaga-Verfahren, in dem Streit ausbleiben sollte und auch ausblieb, obwohl sich die Bundesregierung zu einem Antrag auf Zurückweisung der Anträge der 34 Einzelbeschwerdeführer durchgerungen hat. 34 teils öffentlich bekannte Einzelpersonen, teils Ausländer, teils Minderjährige,  begehrten in einem Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz und damit ohne vorangegangene Einzelfallentscheidung unmittelbar beim BVerfG die Unwirksamkeit eines Gesetzestexts festzustellen (nämlich der §§ 3 Absatz 1, 4 Absatz 1 und weiterer Regelungen in §§ 6-9 Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019, im Folgenden: KSG).

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Jura-Prof.: Ein juristischer Skandal jagt den nächsten. Es herrscht Willkür statt Kompetenz

Thomas S. ist Professor für Rechtswissenschaften an einer Universität und war lange Zeit Vorsitzender Richter an einem Landgericht. Dies ist die deutlich andere Textfassung zum Vortrag auf der Demo in Karlsruhe am 22.01.2022.

Das gilt ab „sofort, unverzüglich“

Dieser Satz stammt bekanntlich von Günter Schabowski, der damit am 9. November 1989 das Ende der DDR-Diktatur markierte. 32 Jahre, nachdem Schabowski aus einer ganz neuen Verordnung eine ganz neue Reiseregelung zitiert hat, benutzt der amtierende Bundesgesundheitsminister mit seinen nachgeordneten Verwaltungsstäben dasselbe Verfahren: Er verblüfft die Bevölkerung durch nicht diskutierte Verordnungen. Allerdings ist diesmal kein Freiheitsgewinn damit verbunden. Zur Erinnerung an den atemlosen Ablauf in der letzten Woche referiere ich kurz Folgendes – und bedanke mich beim Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte für ihre Darstellung, aus der ich mich bediene.

Ein juristischer Skandal

Große Teile des gegenwärtigen Alltags werden derzeit nicht vom Grundgesetz geregelt, sondern von einer „Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV)“. Dort hieß es in der bis Freitag, den 14. Januar 2022, geltenden Fassung in § 2 Nummer 4: „Eine genesene Person [ist] eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist“. In § 2 Nummer 5 wurde geregelt, dass der Infektionsnachweis maximal 6 Monate zurückliegen dürfe.

Prof. Thomas S. auf der Kundgebung am 22.01.2022. Eigenes Werk der Offges. Lizenz: CC BY-SA 4.0

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Anschlag auf das Recht

Thomas S. ist Professor für Rechtswissenschaften an einer Bundesdeutschen Universität. Gemeinsam mit der promovierten Germanistin Katja (1bis19 e.V.) vertritt er hier seine Meinung als Privatperson, welche zum ersten Mal am 09.01.2021 auf der Kundgebung der OGK in Mannheim vorgetragen wurde. 


Der Anschlag auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit

“Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit”. So heißt der erste Satz in Art. 2 GG (Grundgesetz). Es gibt ein Recht auf den eigenen Körper. Es gibt ein Grundrecht gegen Zwangsimpfungen, und seien sie noch so gut gemeint. Was der aktuelle Gesetzgeber plant, ist kein zulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Es ist ein offener Anschlag auf die Verfassung.

Wir reden hier nicht darüber, ob diejenigen, die unbedingt impfen wollen, es wirklich gut meinen. Wir reden nicht darüber, ob sie eigentlich damit Geld verdienen wollen. Wir reden auch nicht darüber, welchen Zweck dieses Mittel heiligen soll und ob der Zweck mit dem Mittel der Impfung erreichbar wäre. Das müsste man natürlich tun. Wer allerdings immer noch glaubt, dass der Zweck der Pandemiebekämpfung mit dem Mittel der Impfung erreichbar wäre, der kann die jüngste Geschichte Australiens studieren: Alle Pläne der australischen Regierung endeten im Nichts der Zwecklosigkeiten. Recht ist sowieso zweckfrei, es ist ein Selbstzweck und wird nicht anderen Zwecken untergeordnet. Dieser Gedanke des Rechts als Selbstzweck ist kurz und unbedingt.

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Das Bundesverfassungsgericht kann es nicht

Thomas ist Professor für Rechtswissenschaften an einer bundesdeutschen Universität. Er vertritt hier seine Meinung als Privatperson, welche zum ersten Mal auf der 13. Demo der OGK am 19.12.2021 in Heidelberg vorgetragen wurde.

Am 30. November hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sich aus dem Kreise der ernstzunehmenden Teilnehmer am Rechtsdiskurs erst einmal verabschiedet. Durch einen kleinen Beschluss wurde über die “Bundesnotbremse” ohne mündliche Verhandlung so entschieden, wie man es sich denken konnte, seitdem der Vorsitzende des Senats und Präsident des Gerichts, ein früherer Unternehmensanwalt und CDU-Politiker, sich und seine Kollegen ins Kanzleramt eingeladen und dort einen Vortrag zur Corona-Notlage bestellt hatte. Die Damen und Herren waren deswegen natürlich nicht befangen, sie wussten vorher schon, wie sie entscheiden sollten. Wenn man sich dennoch mit dem Beschluss zur sog. “Bundesnotbremse” befasst, dann geschieht das trotz seiner geringen Begründungstiefe aus dem darüber hinaus reichenden Grund, dass dieses Gericht das Ansehen verliert, das es in vorangegangenen Jahrzehnten errungen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Inkompetenz dargestellt; in einem Satz: Das Bundesverfassungsgericht kann es nicht. Was “es” ist und was “können” heißt, wird in fünf Abschnitten erklärt:

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